1 Vorwort

1.1 Worum geht es?

Diese Buch ist eine Einführung in die Usability. Usability, schon das Wort klingt kompliziert. Ich hätte gerne den deutschen Begriff Gebrauchstauglichkeit verwendet, aber der klingt genau so sperrig und Usability hat sich in der Fachwelt durchgesetzt.

Usability beschäftigt sich damit, wie die Benutzung von Produkten einfach gestaltet werden kann. Das ist keinesfalls trivial. Beispiele für schlechte Benutzbarkeit finden sich in der Alltagswelt zuhauf. Regelmäßig scheitern wir an den vielzitierten Tücken der Technik. Wer kann schon seinen Videorekorder bedienen oder die Programmbelegung seines Fernsehers einstellen? Der Blick in die Gebrauchsanleitung hilft auch nicht weiter, kryptische Logos und unverständliche Sätze versperren den Zugang.

Benutzbarkeit ist ein Wirtschaftsfaktor. Im World Wide Web brechen viele Kunden den Kaufvorgang ab, weil sie Webseiten nicht bedienen können [1]. Eine Studie von Research International Deutschland kam zu dem Schluß, daß 33% der Konsumenten eine Kaufblockade beim Kauf von technischen Produkten aufweisen. Komplexität und Funktionsvielfalt führen zum Kaufverzicht [2].

Schlechte Usability ist aber auch gefährlich. Nach Meinung des Psychologen Donald A. Norman ist die Ursache von Unfällen, die auf menschliches Versagen zurückgeführt werden, für gewöhnlich ein Usability-Problem; vom Unfall im Kernkraftwerk Three Mile Island bis zu Flugzeugabstürzen [3]. Selbst im Space Shuttle wurde 20 Jahre lang eine Bremse verkehrt herum eingebaut [4]. Usability kann helfen, solche Fehler und Unfälle zu vermeiden, wenn die Regeln für Fehlersicherheit konsequent eingehalten werden.

Trotzdem spielt die Gebrauchstauglichkeit in der Produktentwicklung häufig kaum eine Rolle. Vielen Entscheidungsträgern in der Industrie ist nicht bewußt, daß es für das Design intuitiv benutzbarer Produkte klare Prinzipien gibt. Die Benutzbarkeit neuer Produkte bleibt eher dem Zufall überlassen oder der mehr oder weniger guten Intuition eines Ingenieurs oder Graphik-Designers.

Mit diesem Buch möchte ich helfen, das Wissen über die Grundlagen der Usability zu verbreiten. Es ist die Geschichte von Sven Sommer, einem Manager, der innerhalb eines Tages zum Opfer zahlreicher Produkttücken wird und dank einer Zufallsbekanntschaft die wichtigsten Prinzipien der Usability kennen lernt. Manchen Leser werden Sven Sommers Erlebnisse vielleicht an die Abenteuer des legendären Monsieur Hulot erinnern.

Die Usability-Probleme, mit denen Sven Sommer konfrontiert wird, wirken in ihrer Konzentration oft grotesk, sie haben jedoch eines gemeinsam: Sie sind echt! Wer sich auf die Suche begibt und die Augen offenhält, wird vielleicht auch in der Realität die Orte und Produkte finden, die Sven Sommer das Leben so schwer machen.

Ich habe bewußt weitgehend darauf verzichtet, Firmennamen zu nennen. In einigen Ausnahmefällen erschien es mir jedoch angebracht, um die Glaubwürdigkeit dieses Buches zu untermauern, in anderen Fällen ließ sich die Identität der Unternehmen nicht verschleiern. Das soll aber nicht heißen, daß diese Firmen sich besonderer Usability-Sünden schuldig gemacht hätten. Vielmehr scheinen alle bekannten Unternehmen Brutstätten abstruser Bedienphilosophien zu sein.

Da ich in diesem Buch bewußt einfache Beispiele gewählt habe, müssen viele Details unerwähnt bleiben, aber ich möchte auch zum Nachdenken anregen, dem Leser helfen, schlechte Konzepte zu erkennen und ihn ermutigen, die schärfste Waffe gegen schlechte Benutzbarkeit einzusetzen, die es gibt: den gesunden Menschenverstand.

1.2 Aufbau dieses Buches

Das erste Kapitel Morgengrauen schildert die Konfrontation Sven Sommers mit schlechter Benutzbarkeit in seiner eigenen Wohnung. Die Leser werden viele der Beispiele sofort nachvollziehen können.

Bahnhof führt diese Handlungslinie fort. Sven Sommer, der sonst nur Auto fährt, wird gezwungen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Ich kenne Autofahrer, die einen Selbstversuch mit öffentlichen Verkehrsmitteln entnervt aufgegeben haben. Obwohl ich ein großer Befürworter der Öffis bin, kann ich das gut verstehen.

Gespräch mit Mira Kell enthält die Kernaussagen zur guten Benutzbarkeit. Sven Sommer trifft Mira Kell, eine Usability-Beraterin, die ihm etwas über Menschen und Usability erzählt. Öffentliche Verkehrsmittel haben auch ihre Vorteile.

In Stadtrundfahrt ist Sven Sommer mit dem Mietwagen unterwegs. Wir werden sehen, daß Fahrzeuge, Verkehrsführungen und Parkhäuser viele Fallstricke bereit halten. Mira Kell erläutert einige der Probleme und wie man es besser machen kann.

Krisensitzung wirft einen Blick auf die Situation in einer Firma. Die Ursachen für schlechte Usability liegen auch auf sozialer und organisatorischer Ebene. Wir beobachten, wie sich Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen gegeneinander bekämpfen, sich Fachchinesisch an den Kopf werfen und die selben Fakten aus unterschiedlichen Perspektiven anders beurteilen. Nebenbei scheitert der Beginn einer vielversprechenden Romanze an der Unbedienbarkeit eines Handys.

Im Supermarktgeschäft ist die Konkurrenz groß und der Erfolgsdruck entsprechend hoch. Seit vielen Jahren werden enorme Summen in die kundengerechte Optimierung von Supermärkten gesteckt. Doch viele dieser Anstrengungen scheinen wirkungslos zu verpuffen. Sven Sommer wird im Kapitel Supermarkt auch dort mit vielen Usability-Problemen konfrontiert.

Hotel Kognito ist ein Beispiel für ein Hotel, in dem viel Wert auf Benutzbarkeit gelegt wurde, doch trotz guter Vorsätze trifft Sven Sommer auf eine Reihe von Hürden. Im Gespräch mit einem Zimmermädchen wird ihm eine weitere Ursache dafür klar.

Immerhin gelingt es Sven Sommer, sich zum Essen mit Mira Kell zu treffen. Er erfährt etwas darüber, warum neue Ideen so wenig Akzeptanz finden, warum Usability in der Praxis so häufig scheitert und wie man Usability in den Entwicklungsprozeß einbringen kann.

Zum Abschluß gibt es noch einen stichwortartigen Usability-Überblick mit wichtigen Fakten und Regeln für die Entwicklung neuer Produkte sowie eine Kurzanleitung für einen Usability-Test.

Viel Spaß!
Dirk Struve